Wer regiert das Ländchen. Regierung oder Gewerkschaften?


Auf dem globalen politischen Schachbrett sind die Figuren in Bewegung. Politische Allianzen der Nachkriegsordnung inklusive Verteidigungsbündnisse lösen sich auf. Der Wirtschaftsschwerpunkt verlagert sich von Westen nach Asien. Demokratien werden, nicht zuletzt wegen, ihrer wahrgenommenen Handlungsunfähigkeit und vermeintlich falschen Prioritätensetzung anfällig für populistische Strömungen.
Der Handlungsdruck in Europa ist besonders gross, wenn wir uns unsere relativ privilegierte Situation auf der Welt erhalten möchten. Innovationsstau, Deindustrialisierung, wirtschaftlicher Abstieg, demographischer Wandel, Schieflage in den Sozialsystemen, bürokratische Selbstsabotage sind nur einige Punkte an denen der Hebel schnell angesetzt werden muss.
In Luxemburg ticken die Uhren bekanntlich etwas anders. Wir haben die Tendenz die zukunftsbestimmenden Themen unter den Teppich zu kehren, während wir uns heillos in Kleinigkeiten verlieren.
Die gesammelte Gewerkschaftsszene, neuerdings zu einer Gemeinschaftsfront zusammengeschlossen, ist seit Monaten auf Krawall gebürstet. Angesichts der Reform der Ladenöffnungszeiten und der Sonntagsarbeit sehen die Gewerkschaften das Sozialgefüge in Luxemburg kurz vor dem Zusammenbruch. Da ihr Rückhalt bei der arbeitenden Bevölkerung sehr überschaubar ist, rufen sie am 28. Juni nicht zu einem Streik auf, sondern zu einer Kundgebung, an dem sich auch die Zivilgesellschaft beteiligen soll. Man kann also bereits jetzt davon ausgehen, dass es nicht vorrangig um Arbeitsbeziehungen gehen wird.
Die Zielsetzung der Gewerkschaft ist seit Jahrzehnten die gleiche. Es geht vor allem darum, Regierung und Parlament davon abzuhalten in ihrem Kerngeschäft Politik zu machen. Arbeitsbeziehungen, Sozialsysteme, Umverteilung…. Gewerkschaften bestimmen die politische Agenda und definieren den Lösungsrahmen. Der Zaubertrick ist der, dass es den Gewerkschaften zusätzlich gelungen ist, der Politik und der Öffentlichkeit dieses Diktat als Erfolgsstory zu verkaufen.
Das Modell bröckelt jedoch.
Die Sozialwahlen haben deutlich gezeigt, dass die Gewerkschafen in der Arbeitswelt nur eine begrenzte Rolle spielen. Dreiviertel der Arbeitnehmer geben keiner der Gewerkschaften ihre Stimme. Dreiviertel der Personaldelegationen funktionieren ohne Gewerkschaftsbeteiligung. Trotz diesem offensichtlichen Legitimitätsdefizit fordern die das Verhandlungsmonopol. Kein Arbeitgeber und keine Personaldelegation dürfen in ihrem Unternehmen eigenständig die Arbeitsorganisation mitgestalten. Ein eigenartiges Demokratieverständnis, wenn man die Sozialwahlen als Willensäußerung der Arbeitnehmer und nicht als Schaulaufen der Gewerkschaften verstanden haben will.
Die Regierung hat dieses Modell in Frage gestellt und zieht wenigstens in Betracht, dass bestimmte Punkte im Unternehmen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ohne zutun der Gewerkschaften verhandelt werden können.
Dass sich Arbeitgeber mit ihren Delegationen einig werden könnten, ist für die Gewerkschaften ein rotes Tuch. Sie gehen sogar soweit die neutralen Delegierten, die im Rahmen der Sozialwahlen von ihren Kollegen als ihre Vertreter gewählt wurden auf das Übelste zu verunglimpfen und ihnen die Legitimität abzusprechen.
Neben der Erkenntnis, dass die wichtigen und richtigen Arbeitsbeziehungen im Dialog in den Unternehmen gestaltet werden müssen, ist der Regierung noch ein weiteres Licht aufgegangen.
Dass was die Gewerkschaften als Sozialdialog verkaufen ist de facto eine direkte Beteiligung am politischen Entscheidungsprozess. Im Klartext waren die Gewerkschaften daran gewohnt, dass die Politik ohne ihre Zustimmung in strategischen Fragen keine Entscheidung treffen wird. Eine Gepflogenheit, die demokratisch mehr als bedenklich ist. Weiten Teilen der Politik ist es heute noch „angenehm“ sich in wesentlichen Bereichen ihres ureigenen Gestaltungsrahmen keine eigene Meinung bilden zu müssen, sondern nur nachbeten müssen, was die Gewerkschaftseliten ihnen vorgeben. Gleichzeitig lehnen die Gewerkschaften jede gesammtgesellschaftliche Verantwortungfür ihr Handeln ab. „Wir stellen Forderungen. Was dies bedeutet und wie die Regierung dies umsetzt, ist nicht unser Problem“
Premierminister Luc Frieden hat in seiner Lage der Nation eigens unterstrichen, dass man Konsultation und Sozialdialog nicht automatisch mit Mitentscheidung verwechseln sollte. Im selben Atemzug forderte er die eigene Parlamentsfraktion dazu auf Verantwortung zu übernehmen.
Angesichts der Fülle an Herausforderungen hat die Regierung eventuell erkannt, dass die Politik das Heft wieder in die Hand nehmen und Entscheidungen treffen muss. Die sozialen Sicherungssystem sind dabei zu kippen. Mitarbeiter haben Anforderungen an ihre Arbeitsbeziehungen, die nichts mehr mit dem auf Klassenkampf gebürsteten Gewerkschaften zu tun haben. Europa steht vor enormen Herausforderungen um unseren Wohlstand und unsere Sicherheit zu erhalten.
Die Regierung hat den Schuss gehört. Die parlamentarische Opposition und Teile der eigenen Mehrheit offensichtlich noch nicht.
Die Gewerkschaften haben schon mehrmals offen zugegeben, dass sie zwar Überall das letzte Wort haben wollen, sie sich aber nicht im Entferntesten für das langfristige Wohl des Landes und seiner Einwohner verantwortlich fühlen.
Der Ball liegt bei der Politik. Dafür gehen die Bürger wählen. Die Regierung steht in der Verantwortung die Führung zu übernehmen und auch gegen Widerstände die Weichen zu stellen. Am 28. Juni werden sich Kräfte mobilisieren, die darauf bestehen, dass sich nichts ändert, selber aber ganz wenig zur Absicherung unserer Zukunft beizutragen haben. Das sollte sich die Regierung vor Augen haben wenn am 28. Juni rote und grüne Fahnen durch die Straßen defilieren. Es sind nicht diese rückwärtsgewandten Kräfte, die das Versprechen von Sicherheit und Wohlstand für die Bürger einlösen werden.
Christian Reuter