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FDA - NEWS

Flexibilisieren wir kleine und mittelständische Unternehmen ins Aus?

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht im Zentrum der aktuellen Familienpolitik. Zurecht. Arbeit ist kein Selbstzweck. Das stimmt. Lohnarbeit ist aber bis auf weiteres die Funktionsgrundlage unseres Wirtschafts-, Sozial- und Politiksystems und für den einzelnen Arbeitnehmer die Voraussetzung für eine einigermaßen planungssichere und selbstbestimmte Lebensführung.

Es sei denn, er oder sie hat sich für die berufliche Selbständigkeit entschieden und nimmt sein Schicksal in eigene Hände. Die Politik hat natürlich längst begriffen, dass diese Thematik eine sprudelnde Quelle für Zustimmung, Stimmung und Stimmen ist.

Dementsprechend überschlagen sich Vorschläge und Initiativen, um die Flexibilität für Arbeitnehmer stetig auszubauen. Elternurlaub plus, Vaterschaftsurlaub, Familienurlaub, Sprachurlaub, Sozialurlaub, zusätzliche gesetzliche Urlaubs- und Feiertage und, im Moment, eine Diskussion über das Recht auf Teilzeitarbeit.

Während Arbeitnehmer ihre berufliche Tätigkeit immer flexibler um ihr Leben herum organisieren können, stehen vor allem kleine- und mittelständische Unternehmen vor massiven Problemen ihren Geschäftsbetrieb noch irgendwie am Laufen zu halten.

Die Regierung deutet zwar an, dass man die Anliegen der Unternehmen verstehe und ihnen Rechnung tragen werde. Konkret getan hat sich in dieser Richtung aber nichts.

Im Gegenteil scheint man der Meinung zu sein, dass es innerhalb der Unternehmen nur eine Frage der „guten“ Organisation sei, um mit den Flexibilitätsansprüchen der Arbeitnehmer richtig umzugehen, und dass vom Arbeitsrecht keine Flexibilisierungsmassnahmen zugunsten der Betriebe nötig seien.

Gerade im Handwerk macht sich die der „Vermännlichung“ des Elternurlaubes zu spüren. Das „Warum der Papa die neue Mamma“-Phänomen, wie es kürzlich im Tageblatt beschrieben wurde, ist sicherlich ein Erfolg für die Gleichberechtigungspolitik. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen geraten derweil an ihre Grenzen.

Das 20 Mann/Frau starke Schreinerunternehmen, von denen sich zeitgleich die Hälfte in einer work-life-Balance Maßnahme stecken, ist mit Sicherheit kein Einzelfall. Dem betroffenen Unternehmer muss der Ratschlag sein „Unternehmen doch besser zu organisieren“ wie blanker Hohn vorkommen. Die Reihen der Unternehmer, die sich veräppelt vorkommen und ihre Aktivität als kleines und mittleres Unternehmen in Frage gestellt sehen, wächst täglich.

Das ist breiten Teilen der Regierung und der Politik im Allgemeinen, die sich eh nur peripher mit wirtschaftlichen Sachverhalten auseinandersetzen wollen, bis jetzt herzlich egal. Politiken haben im Idealfall eine Lenkungsfunktion. Die einseitige Regierungspolitik in Familien- und Arbeitsrechtfragen könnte mittelfristig zur Folge haben, dass kleine und mittelständische Strukturen, die heute über 90 Prozent der Unternehmen ausmachen, nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können und sich strategisch neu aufstellen oder schließen müssen.

Die Alternative sind Einmann(frau) Betriebe, die von Politiken nicht betroffen sind oder Großunternehmen, die tatsächlich die kritische Größe haben, um sich anders zu organisieren.

Das Risiko, dass die Politik mehr und mehr um Arbeitsplätze herum flexibilisiert, die in Luxemburg nicht mehr nachhaltig angeboten werden können, ist also nicht von der Hand zu weisen.

Eine gute Politik zeichnet sich durch einen engen Realitätsbezug und durch eine gewisse Fairness gegenüber allen Betroffenen aus. Gegenüber den mittelständischen Unternehmen besteht in diesem Sinn ein klarer Nachholbedarf.

Ein guter Anfang wäre es, die Anzahl an gleichzeitig genommenen Sonderurlauben auf 10 Prozent der Mitarbeiter zu beschränken. Ist diese Quote überschritten müssen zeitlich gestaffelte Lösungen mit dem jeweiligen Arbeitnehmer gefunden werden.

Anders ist diese neue Arbeits- und Urlaubsformen, die wir als Handwerk ja grundsätzlich unterstützen, nicht nachhaltig zu organisieren.

Michel Reckinger

Präsident der Fédération des Artisans

Der Zwischenruf wurde am 21. 12 im Tageblatt veröffentlicht